Ein glanzvoller Auftakt zum Gebet

Psalter-Stundenbuch, südliche Niederlande (nordwestliches Liège), um 1280, Tinte, Pigmente und Blattgold auf Pergament, Basel, Universitätsbibliothek, UBH CL 239, ff. 12v-13r.

Von Simon Baumberger, Jolanda Frische, Enya Spitteler und Walton Yan

Brillantes Blattgold lässt die Bilder und Initialen dieses Psalter-Stundenbuchs erstrahlen. Im Bild links zeigen zwei grosse Rondelle die Darbringung Jesu im Tempel (oben) und das letzte Abendmahl (unten). In den kleineren Medaillons erscheinen Propheten und weibliche Heilige. Der Text des 1. Psalms fängt direkt unter dem Bild an. Rechterhand, zu Beginn des 2. Psalms, zeigt die prächtige Q-Initiale den Sündenfall Adams und Evas.

Die Handschrift gehört zu einer Gruppe von Psalter-Stundenbüchern, die im späten 13. Jahrhundert in Liège entstanden sind. Das Herzstück dieser Gebetbücher ist der Psalter: die Sammlung von 150 biblischen Psalmen—hymnische Lobgesänge, aber auch Bitt- und Klagegebete—, die König David zugeschrieben werden. Die Psalmen waren ein integraler Bestandteil des täglichen christlichen Stundengebets, sowohl in geistlichen Gemeinschaften als auch von Einzelpersonen.

Dass hier in der Q-Initiale zu Beginn des 2. Psalms der Sündenfall von Adam und Eva dargestellt ist, ist wohl als Auslegung der Psalmen zu verstehen. Die goldverzierten Medaillons mit Szenen aus der Kindheit und Passion Christi bilden einen glanzvollen Auftakt zum Psalter. Zugleich könnte die Gegenüberstellung von Christus und dem Sündenfall eine Erlösungsbotschaft vermitteln, nach der Christus die Menschheit von ihren Sünden erlöst.

Vorschau Phase II (ab 17. Juni 2025)

Ein Pakt mit dem Teufel

UBH CL 239, ff. 197v-198r.

Auf der linken Seite dieses Psalter-Stundenbuchs beginnt der Gebetstext der Salutationes Mariae. In Anlehnung an die 150 Psalmen richtet dieses Gebet 150 „Aves“ an die Jungfrau, die in der illuminierten Initiale erscheint. Vor ihr kniet der Kleriker Theophilus, der der Legende nach einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Inbrünstig fleht er Maria an, die den diabolischen Vertrag entgegennimmt und ihn davon erlöst. Die Botschaft ist klar: Maria erbarmt sich der reumütigen Sünder.

Theophilus war ein tugendhafter christlicher Beamter, der von einem Rivalen zu Unrecht seines Amtes enthoben wurde. Aus Verbitterung schloss er einen Pakt mit dem Teufel, um seine Position zurückzuerlangen. Von Schuldgefühlen und Angst vor ewiger Verdammnis getrieben, betete Theophilus innig zu Maria, die sich dem Teufel widersetzte und den Pakt annullierte. Diese populäre Legende trug im Mittelalter zu Marias Ruf als Fürsprecherin und Heilsbringerin bei.

Im Psalter-Stundenbuch ergänzen sich Text und Bild: Die Anrufung „mater salutaris“ (Mutter der Erlösung) im Gebetstext steht im Einklang mit der Darstellung Marias als mächtige, errettende Königin in der Initiale.